Homepage Merkblatt 1 der DGHT-AG Schlangen
Haltung
von giftigen Schlangen in privaten Terrarien durch Liebhaber
1. Vorbemerkungen
Die
private Haltung wildlebender Tiere zum Zwecke der Liebhaberei oder Forschung
verlangt ein hohes Maß an persönlicher Verantwortung gegenüber dem lebenden
Tier und der Wohnumwelt.
Von
giftigen Schlangen geht Lebensgefahr aus!
Deshalb
sollten sich nur langjährig erfahrene Schlangenhalter mit gefährlichen
Schlangen befassen. Diese Terrarianer müssen neben der notwendigen Sachkunde
auch die erforderlichen technischen Bedingungen gewährleisten können, um die für
Mensch und Tier bestehenden Gefahren zu minimieren und kalkulierbar zu
gestalten.
Für
jene Terrarianer, die sich trotz dieses steten Risikos mit giftigen Schlangen
befassen wollen oder müssen, seien nachfolgend in diesem Merkblatt einige
Empfehlungen gegeben. Dabei sind die über viele Jahre gesammelten Erfahrungen
von Giftschlangenpflegern der AG Schlangen eingeflossen. Hinweise und Ergänzungen
zu diesem Merkblatt nimmt die Leitung der AG gern entgegen.
Die
Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V. übernimmt
keinerlei Haftung für eventuelle Bißunfälle, Tierverluste oder dergleichen,
die nach dem Lesen dieser Empfehlungen eintreten. Diese Empfehlungen sind
internes Arbeitsmaterial der DGHT.
2. Was sind giftige Schlangen?
Die Bezeichnung "Giftschlangen" ist ein Sammelbegriff für die Familien der
Giftnattern (Elapidae), der Seeschlangen (Hydrophiidae), der Ottern (Viperidae),
der Grubenottern (Crotalidae) und,
so man will, auch der Unterfamilie der Erdvipern (Aparallactinae). Alle diese
Schlangen verfügen über Giftdrüsen, die durch giftleitende Gefäße mit den
vorn im Oberkiefer stehenden Giftzähnen verbunden sind. Giftdrüsen haben auch
noch andere Schlangen: Bei den Trugnattern
(Boiginae) und den Wassertrugnattern (Homalopsinae) stehen die Giftdrüsen mit
im hinteren Oberkiefer angeordneten Giftzähnen in Verbindung. Ihr Gift hat für
den Menschen meist nur geringe Wirkung. Ihr Biß ist generell wegen der weit
hinten stehenden Giftzähne weitgehend harmlos. Lediglich bei zwei
Trugnatterarten, der Boomslang (Dispholidus
typus) und der Vogelnatter (Thelotornis
kirtlandi) sind tödliche Bißunfälle beim Menschen belegt. Und selbst der
Biß einer der sonst als harmlos geltenden Wassernattern, der ostasiatischen
Tigernatter (Rhabdophis tigrina),
hat in einem Fall zum Tode geführt.
Wenn der Biß einer Trugnatter für den
Menschen in der Regel auch ungefährlich ist, sollten beim Umgang mit diesen
Tieren die gleichen Gesichtspunkte berücksichtigt werden wie bei der Haltung
von eigentlichen Giftschlangen. Unter den "Echten Giftschlangen"
werden Vertreter der Viperidae und Crotalidae am häufigsten im Terrarium
gepflegt.
3. Welche gesetzlichen
Bestimmungen sind zu beachten?
Im bundesdeutschen Gesetz über Ordnungswidrigkeiten
(OWiG) vom 19.2.1987 (BGBl. I, S.602) heißt es im § 121 über das Halten gefährlicher
Tiere: "(1) Ordnungswidrig handelt, wer
vorsätzlich oder fahrlässig 1. ein gefährliches Tier einer wildlebenden Art
oder ein bösartiges Tier sich frei umherbewegen läßt oder 2. als
Verantwortlicher für die Beaufsichtigung eines solchen Tieres es unterläßt,
die nötigen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um Schäden durch das Tier zu verhüten.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden."
"Frei umherbewegen" werden sich Giftschlangen höchstens beim Ausbruch
aus ihrem Behälter. Der 2. Teil des ersten Abschnittes trifft aber voll zu.
Doch welches sind die "nötigen
Vorsichtsmaßnahmen" bei Giftschlangen? Da schafft das Gesetz zum Schutz
vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz - ChemG) in seiner Neufassung vom
14.3.1990 (BGBl. I, S. 521) Handlungsmöglichkeiten. Im § 18 über giftige
Tiere und Pflanzen wird die Bundesregierung ermächtigt, soweit es zum Schutze
von Leben oder Gesundheit des Menschen unter Berücksichtigung des Natur- und
Tierschutzes erforderlich ist, vorzuschreiben, daß Exemplare bestimmter
giftiger Tierarten nicht eingeführt oder nicht gehalten werden dürfen oder nur
dann, "wenn geeignete Gegenmittel und Behandlungsempfehlungen vom Einführer
oder Tierhalter bereitgehalten werden, oder ... wenn dies der zuständigen Behörde
zuvor angezeigt wird. Die Erlaubnis zur Haltung ... kann mit Auflagen verbunden
werden."
In
manchen Bundesländern sind spezielle Bestimmungen erlassen, die die Haltung von
Gifttieren und somit auch Giftschlangen betreffen. Darin kann auch das absolute Haltungsverbot verfügt sein. Eine Übersicht kann an dieser Stelle
nicht gegeben werden, da es hierzu häufig Änderungen gibt.
4. Welche Anforderungen sollte ein Halter von
Giftschlangen erfüllen?
Der Terrarianer, der Giftschlangen
pflegen möchte, sollte volljährig sein und sich selbstkritisch als besonnen, verantwortungsbewusst
und zuverlässig einschätzen können.
Er muß über das erforderliche Fachwissen verfügen und schon mehrjährige
Erfahrungen im Umgang mit ungiftigen Schlangen haben. Er sollte Mitglied einer terraristischen
Vereinigung sein, in der er seine Spezialkenntnisse ständig erweitern und
gegenüber einem Fachgremium unter Beweis zu stellen hat. Er muss über eine
solide Gesundheit verfügen - Herz-
und Kreislauferkrankungen und vor allem Allergieanfälligkeit erhöhen unnötig
das Risiko im Falle eines Bisses. Auch Alkohol- und Drogenabhängigen kann die
Giftschlangenhaltung nicht empfohlen werden.
5. Welche Mindestanforderungen sind an eine sichere
Verwahrung zu stellen?
5.1. Terrarienraum
Terrarien mit Giftschlangen sollten
nicht in einem von Menschen bewohnten Raum stehen. Wohn-, Schlaf- oder gar
Kinderzimmer sind ein denkbar ungeeigneter Ort für ein Giftschlangenterrarium.
Günstig ist auf jeden Fall ein separater
Raum, den Unbefugte - auch Familienmitglieder und vor allem Kinder - nicht
eigenmächtig betreten können.
Eine
Freilandhaltung ist nicht zu empfehlen, so wünschenswert sie im Hochsommer auch
sein mag. Dafür sind die möglichen Unsicherheitsfaktoren zu vielfältig, und
das Risiko wird unkalkulierbar.
Türen und Fenster müssen so dicht schließen, daß ein
Entkommen eventuell aus ihrem Terrarium entwichener Schlangen - auch
Jungschlangen - nicht möglich ist. Fenster, Abluftöffnungen u. ä. sind durch
Drahtgaze zu sichern. Bei einem im Erdgeschoß liegenden Terrarienraum sollte
das Fenster zusätzlich durch ein Eisengitter gesichert sein, das ein unbefugtes
Eindringen von außen erschwert. Sinnvoll ist eine nach außen zu öffnende Tür
mit einem Fenster und mit einer mindestens 20 cm hohen Schwelle. Vor der Tür
ist ein Warnschild anzubringen, das auf Giftschlangen hinweist.
Die
Terrarien sollten so angeordnet werden, daß keine
unkontrollierbaren Zwischenräume um die Becken entstehen, in denen sich
entwichene Tiere verkriechen können. Eine entwichene Schlange kann sehr schnell
ihr bekanntes Verhalten ändern und unberechenbar und aggressiver reagieren als
gewohnt. Auch Fußboden oder Möbel sollten keine Schlupfwinkel bieten.
In unmittelbarer Nähe der Zuganges
sind griffbereit Abwehr- und Fanggeräte
sowie ein ausreichend großes Behältnis (Eimer, Beutel ...) bereitzuhalten.
Generell müssen geeignete Hilfsmittel (Handschuhe, Greifzange, Metallhaken,
Stockschlinge, Fanggabel, Kunststoffschiene mit Kerben zum Fixieren der Tiere
unmittelbar hinter dem Kopf, Kotschaufel, Schutzschild bei Gift speienden Arten
u. a.) griffbereit sein.
Auf
die ausreichende Ausleuchtung des
Raumes ist zu achten. Es empfiehlt sich der Zugang zu einem Telefon
in unmittelbarer Nähe.
5.2. Terrarium
Giftschlangen
haben dieselben grundsätzlichen Lebensansprüche wie ungiftige Arten gleicher
Größe und Herkunft. Es ist deshalb für eine biotopadäquate
Unterbringung und artspezifische Pflege zu sorgen.
Das Giftschlangenterrarium muß solide gebaut und standfest,
ausbruchsicher und verschließbar sein. Konstruktion und Material müssen auch
gegen unvorhergesehene äußere Einflüsse wie Erschütterungen, Gegenstoßen,
Überhitzung oder Feuchtigkeit angemessenen Schutz bieten.
Die eingesetzten Glasscheiben müssen ausreichend dick sein. Verbundsicherheitsglas
ist zwar empfehlenswert, schützt aber nicht vor einem gewaltsamen Einbruch in
das Terrarium. Die Glasstärke ist jedoch so zu wählen, dass die Scheiben nicht
durch die Tiere selbst oder durch umgeworfene Einrichtungsgegenstände
zerbrochen werden können. Folgende Mindeststärken können als Richtwerte
dienen: Scheibengröße 30 x 40 cm - 4 mm; 50 x 60 cm - 6 mm; darüber 8 mm. Die
Frontscheiben sollten so groß bemessen sein, daß jeder Winkel des Terrariums
einzusehen ist. Bei Schiebescheiben sind auch die Seitenkanten mit
Profilschienen zu versehen, um eine Spaltbildung zu verhindern.
Kunststoffscheiben sind bruchsicherer, in der Regel aber nicht kratzfest.
Angaben zur empfehlenswerten Größe
eines Terrariums für Giftschlangen sind genauso problematisch, wie die für
andere Terrarientiere. Es ist den Tieren immer ausreichend Platz zum Ausweichen
nach hinten zu bieten.
6. Welcher Umgang mit Giftschlangen wird geraten?
Wie
mit jedem wildlebenden Tier sollte besonders mit Giftschlangen nicht mehr als
unbedingt erforderlich manipuliert werden. Herausnehmen, Umsetzen, Behandeln u.
dgl. sind zu vermeiden. Auf keinen Fall sind mit den Tieren irgendwelche
Handlungen vor Laien vorzunehmen, um die Gefährlichkeit der Schlangen oder den
eigenen Mut zu demonstrieren.
Beim
Behandeln größerer Exemplare (über 50 cm Gesamtlänge) oder besonders gefährlicher
Arten außerhalb des Terrariums wird eine zweite
Person zur Sicherung im Hintergrund empfohlen. Keinesfalls dürfen beide
Personen aber durcheinander hantieren. Wenn für eine Behandlung eines Tieres
eine Person nicht ausreicht, sind alle Handgriffe und mögliche Abweichungen
vorher genau durchzusprechen.
Alle
für die Behandlung notwendigen Geräte, Medikamente u. dgl. sind vorher
vorzubereiten und griffbereit zu legen. Bei Unsicherheiten und Unregelmäßigkeiten
ist das Behandeln sofort abzubrechen und das Tier in sein Terrarium zurückzusetzen.
Immer
muß der Grundsatz gelten: Menschenleben
geht vor Tiergesundheit!
Für
die Zeit unvermeidbarer längerer Abwesenheit des Giftschlangenpflegers ist ein
Betreuer festzulegen, der gleichfalls die Anforderungen an einen
Giftschlangenhalter erfüllt und gründlich eingewiesen ist.
7. Wie sind Giftschlangen zu transportieren?
Auch
Giftschlangen müssen einmal transportiert werden. Neben den allgemeingültigen
Regeln eines Schlangentransportes zu
Verpackung, Dauer, Temperatur, Feuchtigkeit und dergleichen ist bei
Giftschlangen zusätzlich zu beachten:
Man
sollte nie mehr als unbedingt nötig transportieren. Transportweg, -mittel und
-dauer sollten vorher feststehen. Öffentliche Verkehrsmittel sind möglichst zu
meiden. Wenn nicht anders möglich, ist der Transport dann unauffällig und mit
äußerster Vorsicht vorzunehmen. Das Transportbehältnis
ist doppelt zu sichern, d. h. die Schlange ist in einem Beutel oder besser noch
in einem fest verschlossenen durchsichtigen, bruchsicheren Behälter zu
verwahren, der wiederum in einem ebenfalls verschlossenen zweiten Behälter, am
besten in einer Kiste mit kleinen, mit Drahtgaze gesicherten Lüftungslöchern
aufbewahrt wird. Der innere Behälter ist mit dem wissenschaftlichen Namen und
der Stückzahl der Schlangen eindeutig zu kennzeichnen. Auf die Gefährlichkeit
des Inhaltes ist hinzuweisen.
Den
Transportbehälter ist nie unbeaufsichtigt zu lassen und nur dann einem Laien
anzuvertrauen, wenn ein unberechtigter Zugriff praktisch ausgeschlossen ist.
Alle Behältnisse sind während des Transportes nicht zu öffnen. Entsprechende
Geräte zum Hantieren und zum Schutz sind mitzuführen. Nach dem Transport
sollten die Tiere nur in solche Behältnisse entlassen werden, die den
Anforderungen an ein Giftschlangenterrarium entsprechen.
8.
Vorkehrungen für Bissunfälle
Bissunfälle sind nie mit absoluter Sicherheit
auszuschließen. Man muß bei den notwendigen Vorkehrungen davon ausgehen, dass
der Betroffene durch Schockeinwirkung und sogar Giftwirkung selbst nicht dazu in
der Lage sein kann, alle erforderlichen Behandlungen allein und ohne fremde
Hilfe ausführen zu können. Es ist deshalb unter Umständen die Hilfe anderer
Personen erforderlich, die nicht
sachkundig sind.
Im Terrarienraum sollte deshalb eine Liste
der in den einzelnen Terrarien gehaltenen Arten und deren Individuenzahl, ein Alarmplan und eine Erste-Hilfe-Tafel
für Giftschlangenbisse aushängen. Eine Vorratshaltung an den spezifischen
mono- oder polyvalenten Giftschlangenseren ist in der Regel nicht zu
empfehlen. Sie gibt nur dort mehr Sicherheit, wo die unverzügliche klinische
Behandlung auf Grund der Entfernung nicht möglich und die fachgerechte Therapie
mit Antiserum und möglicher Begleiterscheinungen am Ort gewährleistet ist. Die
beschränkte Haltbarkeit der flüssigen oder gefriergetrockneten Antiseren auch bei Kühlschranktemperatur, die deshalb regelmäßig
anfallenden Kosten und vor allem das Risiko von Unverträglichkeitsreaktionen
und damit eines anaphylaktischen Schocks lassen es beim Pfleger nur einiger
Giftschlangen angeraten erscheinen, besser den direkten Weg zu einer geeigneten
medizinischen Einrichtung zu wählen, als eine Eigentherapie vorzunehmen. Nicht
unproblematisch, aber sicher weniger risikovoll ist eine erste Behandlung mit
Rasterschießapparat und Schröpfkopf -
vor allem, da deren Einsatz sehr schnell erfolgen kann und wenn die Schlangenart
als weniger gefährlich gilt.
Jeder
Giftschlangenpfleger muss sich über das schnelle Erreichen einer Rettungsstelle
mit sachkundigen Ärzten und einem öffentlich erreichbarem oder vereinsinternen
Serumdepot informieren. Es empfiehlt sich die Mitgliedschaft in
einer entsprechenden Organisation. Die aktuelle Meldung des Artenbestandes gewährleistet
dann die Einlagerung aller erforderlichen Antiseren.