Giftschlangen

Homepage

Gedanken zur Haltung von Giftschlangen

Von den etwa 2500 bis 2700 Schlangenarten auf der Erde besitzen lediglich rund 410 Arten einen voll wirksamen Giftapparat. Von diesen Schlangen sind die meisten für den Menschen kaum gefährlich. Sie verfügen nur über schwach wirksame Gifte, sind vielfach äußerst beißfaul, sind sehr selten oder leben versteckt und begegnen dem Menschen normalerweise nie.

Die Bezeichnung "Echte Giftschlangen" ist ein Sammelbegriff für die Familien der Giftnattern (Elapidae), der Seeschlangen (Hydrophiidae), der Ottern (Viperidae), der Grubenottern (Crotalidae) und, so man will, auch der Unterfamilie der Erdvipern (Aparallactinae). Alle diese Schlangen verfügen über Giftdrüsen, die durch Gift leitende Gefäße mit den vorn im Oberkiefer stehenden Giftzähnen verbunden sind. Giftdrüsen haben auch noch andere Schlangen: Bei den Trugnattern (Boiginae) und den Wassertrugnattern (Homalopsinae) stehen die Giftdrüsen mit im hinteren Oberkiefer angeordneten Giftzähnen in Verbindung. Ihr Gift hat für den Menschen meist nur geringe Wirkung. Ihr Biss ist generell wegen der weit hinten stehenden Giftzähne harmlos. Lediglich bei zwei Trugnatterarten, der Boomslang (Dispholidus typus) und der Vogelnatter (Thelotornis kirtlandi) sind tödliche Bissunfälle beim Menschen belegt. Trugnattern sollten deshalb stets wie Giftschlangen behandelt werden. Und selbst der Biss einer der sonst als harmlos geltenden Wassernattern, der ostasiatischen Tigernatter (Rhabdophis tigrina), hat in einem Fall zum Tode geführt. (Die aktuelle Systematik der Schlangen wird hier noch nicht berücksichtigt.)

Die für den Menschen wirklich gefährlichen Giftschlangenarten sind oft nicht einmal die giftigsten - bezogen auf die Effektivität ihres Giftes. Seeschlangengift zählt zu den wirksamsten Schlangengiften, nur beißen ihre Produzenten äußerst selten. Andererseits - so kalkulieren Fachleute - treten aus den verschiedensten Gründen nur bei 20 bis 50 % aller Giftschlangenbisse beim Menschen Vergiftungserscheinungen auf. Häufig wird beim tatsächlichen oder auch nur vorgetäuschten Biss überhaupt kein Gift abgesondert.

Die Haltung von Giftschlangen in menschlicher Obhut steht immer wieder im Blickpunkt der Kritik. Dabei wird meist sogar vergessen, daß auch die amerikanischen Krustenechsen, zahlreiche Amphibien, Spinnentiere wie Skorpione, Walzenspinnen und Webespinnen und nicht zuletzt Fische wirksame Gifte produzieren und einsetzen. Die einzigen giftigen Echsenarten, die Gila-Krustenechse (Heloderma suspectum) und die Skorpions-Krustenechse (H. horridum), sind zwar relativ träge und wenig beißfreudig. Salamandergifte verursachen Hautreizungen, wirken hämolytisch und können Krämpfe auslösen. Die Hautsekrete der Pfeilgiftfrösche (Gattungen Dendrobates und Phyllobates) sind z.T. hochwirksame Nervengifte.

Unter welchen Voraussetzungen ist die Pflege dieser Tiere im Terrarium zu akzeptieren?

Im bundesdeutschen Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) vom 19.2.1987 (BGBl. I, S.602) heißt es im § 121 über das Halten gefährlicher Tiere: "(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig 1. ein gefährliches Tier einer wildlebenden Art oder ein bösartiges Tier sich frei umherbewegen lässt oder 2. als Verantwortlicher für die Beaufsichtigung eines solchen Tieres es unterlässt, die nötigen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um Schäden durch das Tier zu verhüten. (2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden." Daß der § 121 zwischen Paragraphen über Prostitution und über Vollrausch eingeordnet ist, soll uns hier nicht stören. "Frei umherbewegen" werden sich Giftschlangen höchstens beim Ausbruch aus ihrem Behälter. Der 2. Teil des ersten Abschnittes trifft aber voll zu. Doch welches sind die "nötigen Vorsichtsmaßnahmen" bei Giftschlangen? Da schafft das Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz - ChemG) in seiner Neufassung vom 14.3.1990 (BGBl. I, S. 521) Handlungsmöglichkeiten. Im § 18 über giftige Tiere und Pflanzen wird die Bundesregierung ermächtigt, soweit es zum Schutze von Leben oder Gesundheit des Menschen unter Berücksichtigung des Natur- und Tierschutzes erforderlich ist, vorzuschreiben, daß Exemplare bestimmter giftiger Tierarten nicht eingeführt oder nicht gehalten werden dürfen oder nur dann, "wenn geeignete Gegenmittel und Behandlungsempfehlungen vom Einführer oder Tierhalter bereitgehalten werden, oder ... wenn dies der zuständigen Behörde zuvor angezeigt wird. Die Erlaubnis zur Haltung ... kann mit Auflagen verbunden werden."

So weit, so gut! Doch was sind nun "geeignete Gegenmittel und Behandlungsempfehlungen" sowie "Auflagen" bei der Pflege von Giftschlangen? Hier besteht sicher Bedarf an einer entsprechenden Durchführungsbestimmung auf Bundes-, besser gleich auf EU-Ebene. Schon existierende mehr oder weniger gute Bestimmungen einiger Länder und Kommunen stiften nur Verwirrung und verleiten zu Manipulationen.

Zweifellos sind alle Schlangenfreunde meiner Meinung: Die Haltung von Giftschlangen in Privathand muss die Ausnahme bleiben und vernünftige gesellschaftliche Auflagen können ein Risiko minimieren. Öffentliche Schauterrarien, Wandermenagerien und nicht zuletzt der Tierhandel bedürfen weit höher gesteckter Sicherheitsanforderungen. Für die private Giftschlangenpflege sollen folgende Gesichtspunkte beleuchtet werden: (Persönliche Meinung!)

Tierhalter: Der Terrarianer, der Giftschlangen pflegen möchte, muss volljährig und seinen Mitmenschen als besonnen, verantwortungsbewusst und zuverlässig bekannt sein. Er muss über eine solide Gesundheit verfügen - Herz- und Kreislauferkrankungen und vor allem Allergieanfälligkeit erhöhen unnötig das Risiko im Falle eines Bisses. Er muss über das erforderliche Fachwissen verfügen, langjährige Erfahrungen im Umgang mit ungiftigen Schlangen haben, muss Mitglied einer terraristischen Vereinigung sein und hat seine Spezialkenntnisse gegenüber einem Fachgremium unter Beweis zu stellen. Hier wäre ein Befähigungsnachweis wirklich sinnvoll.

Terrarienraum: Terrarien mit Giftschlangen dürfen nicht in einem von Menschen bewohnten Raum stehen. Unbefugte, auch Familienmitglieder und vor allem Kinder, dür-fen den Raum nicht eigenmächtig betreten können. Fenster, Abluftöffnungen u.ä. müssen mit Drahtgaze gesichert sein. Die Haltung von Giftschlangen in Freilandterrarien ist grundsätzlich nicht zulässig. An Freiluftterrarien sind erhöhte Sicherheitsanforderungen zu stellen, die insbesondere vor einem mutwilligen Einbruch in das Terrarium schützen.

Terrarium: Giftschlangen haben dieselben grundsätzlichen Lebensansprüche wie ungiftige Arten gleicher Größe und Herkunft. Es ist deshalb für eine biotopadäquate Unterbringung und artspezifische Pflege zu sorgen. Das Giftschlangenterrarium muss solide gebaut und standfest, ausbruchsicher und verschlossen sein. Die eingesetzten Glasscheiben müssen ausreichend dick sein. Verbundsicherheitsglas und Sicherheitsschlösser sind zwar empfehlenswert, schützen aber nicht vor einem gewaltsamen Einbruch in das Terrarium. Angaben zur Größe eines Giftschlangenterrariums sind genauso problematisch, wie die für andere Terrarientiere. Die Einrichtung des Terrariums muß übersichtlich sein. Ein verschließbarer Schlupfkasten im oder am Terrarium bietet einen einfachen und absolut sicheren Schutz beim Hantieren im Behälter. Ausreichend lange Hilfsmittel (Greifzange, Metallhaken, Stockschlinge, Fanggabel, Kunststofflineal mit Kerben zum Fixieren der Tiere unmittelbar hinter dem Kopf, Kotschaufel, Schutzschild bei Gift speienden Arten) müssen griffbereit sein.

Vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen: Im Terrarienraum sollte eine Liste der in den einzelnen Terrarien gehaltenen Arten und deren Individuenzahl, ein Alarmplan und eine Erste-Hilfe-Tafel für Giftschlangenbisse aushängen. Eine Vorratshaltung an den spezifischen mono- oder polyvalenten Giftschlangenseren. Die beschränkte Haltbarkeit der flüssigen oder gefriergetrockneten Antiseren auch bei Kühlschranktemperatur, die deshalb regelmäßig anfallenden Kosten und vor allem das Risiko von Unverträglichkeitsreaktionen und damit eines anaphylaktischen Schocks lassen es beim Pfleger nur einiger Giftschlangen angeraten erscheinen, besser den direkten Weg zu einer geeigneten medizinischen Einrichtung zu wählen, als eine Eigentherapie vorzunehmen. Nicht unproblematisch, aber sicher weniger risikovoll ist eine erste Behandlung mit Rasterschießapparat und Schröpfkopf - vor allem, da deren Einsatz sehr schnell erfolgen kann und wenn die Schlangenart als weniger gefährlich gilt.

Verhalten beim Ausbruch einer Giftschlange: Besteht beim Entweichen einer Giftschlange aus ihrem Terrarium nicht sofort die Chance für ein gefahrloses Einfangen, muss bedenkenlos ein Unschädlichmachen des Tieres oberstes Ziel sein. Die Flucht von Giftschlangen - und leider auch harmloser Schlangen - kann in der Umwelt zu einer folgenschweren Panik, zu kostenaufwendigen Polizei- und Feuerwehraktionen und nicht zuletzt zur Strafverfolgung führen. Unfälle bei anderen Personen, auch bei Familienangehörigen, können als fahrlässige Körperverletzung oder gar fahrlässige Tötung verfolgt werden.

Meldepflicht: Analog der Genehmigungspflicht für das Halten besonders geschützter Arten sollte eine Meldepflicht über die Haltung der so genannten "echten" Giftschlangen und der genannten Trugnatterarten beim zuständigen Amtstierarzt vorgeschrieben werden. Dabei wäre eine jährliche Bestandsmeldung und eine aktuelle Meldung bei Zugang einer neuen Art ausreichend. Eine Kontrolle der Befähigung des Tierhalters sowie der Haltungsbedingungen durch einen Beauftragten des Amtstierarztes ist aber nur beim Vorliegen fachlich fundierter Vorschriften sinnvoll. Die gesetzlichen Vorschriften sollten jedoch unbedingt mindestens bundeseinheitlich gelten und nicht durch kommunale Maßnahmen eingeschränkt werden.

Vielleicht sollte man sogar darüber nachdenken, ob nicht die private, d. h. nicht gewerbsmäßige Haltung bestimmter Giftschlangenarten generell verboten werden sollte. Man könnte besonders große oder unberechenbar angriffsfreudige und reaktionsschnell zubeißende Arten einbeziehen, beispielsweise Königskobra (Ophiophagus hannah), Taipan (Oxyuranus scutellatus), Buschmeister (Lachesis mutus), Todesotter (Acanthophis antarcticus), Schwarze Mamba (Dendoaspis polylepis), Tigerotter (Notechis scutatus), Gabunviper (Bitis gabonica), Sandrasselotter (Echis carinatus), Kettenviper (Daboia [Vipera] russelli).

Homepage